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Brief der Bürgermeisterin an die Wörgler Bevölkerung II

Brief der Bürgermeisterin an die Wörgler Bevölkerung II

Foto © Pichler

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir leben nun in der dritten Woche im Ausnahmezustand. Keine Rede davon, dass er zum Alltag geworden ist! Von „neuer Normalität“ zu sprechen, ist Zynismus, der unangebracht ist. Von „Krisenmanagement“ der Bundes- Regierung zu sprechen, scheint mir verwegen. Sie hat Notmaßnahmen gemäß dem Pandemiegesetz getroffen, die zweifellos angebracht sind und orientiert ihre Strategie an den Infektionszahlen, die aber offenbar immer wieder anders berechnet werden (müssen).

Zugleich erleben wir eine „Infodemie“. Medien aller Art überschlagen sich, möglichst schockierende Fakten zu liefern aus allen Nationen der Welt. Die Angst muss sich wohl den Menschen derart ins Hirn fressen, dass alle getroffenen Maßnahmen unkommentiert hingenommen und befürwortet werden.

Auch 38 Milliarden Euro spontan auszuschütten, „koste es, was es wolle“, zeugt weniger von Management als von Blitzreaktion. Denn am Ende wird es heißen „zahle, wer da muss“, und das werden wir alle sein. In den nächsten Jahren wird es Kürzungen und Steuererhöhungen geben (müssen). Die COVID- Pandemie wird uns noch lange verfolgen. Manager- Qualitäten werden entscheidend notwendig sein, wenn es darum geht, Wirtschaft und Gesellschaft behutsam wieder in die „Normalität“ zurück zu führen, ohne dass allzu viele auf der Strecke bleiben. Hilfsmaßnahmen müssen ausgewogen gesetzt werden.

Hart getroffen von den Maßnahmen der Regierung wurden vor allem Klein- und Mittelbetriebe, Ein- Personen- Unternehmen und viele Arbeitnehmer(innen), die mittlerweile gekündigt wurden. Zu den restriktiven persönlichen Einschränkungen des Alltags kommt noch die Sorge um das wirtschaftliche Überleben. Mieten und Gehälter wollen gezahlt werden. Fixkosten bleiben, der Umsatz jedoch ist gewaltig eingebrochen. Ich sprach mit vielen Wörgler Unternehmern, und die meisten malten das gleiche düstere Bild. Vor allem aber quält die Unsicherheit über die Dauer der gegenwärtigen Situation. Manche geben sich noch einige Monate Zeit zum Überleben, andere nur mehr wenige Wochen. Glücklicherweise aber gibt es dennoch Unternehmen, die nicht um die Zukunft bangen müssen.

Auch die Stadt Wörgl ist ein Unternehmen und wird mit finanziellen Einbrüchen zu kämpfen haben. Geringere Ertragsanteile, gesunkene Kommunalsteuereinnahmen, entfallene Beitragszahlungen könnten uns im Jahr 2020 ein sattes Minus von bis zu 3.000.000 Euro bescheren. Auch wir müssen aber unsere Einrichtungen offenhalten, Gehälter zahlen und die Gemeindeaufgaben erfüllen. Ich habe deshalb den Auftrag gegeben, auch bereits budgetierte Projekte auf ihre derzeitige Finanzierbarkeit zu prüfen und nicht umzusetzen, ehe wir einen Überblick gewonnen haben. Über die vollmundig- populistischen Forderungen nach Aussetzen von Kommunalsteuer, nach unentgeltlicher Nutzung von Gemeindeeinrichtungen und Ähnlichem kann ich nur den Kopf schütteln. Auch das „Unternehmen Gemeinde“ muss handlungsfähig bleiben.

Selbstverständlich tragen auch wir den erschwerten Bedingungen Rechnung und gewähren auf Ansuchen Kommunalsteuerstundungen ohne Berechnung von Verzugszinsen und setzen Kindergartenbeiträge für die Dauer der Schließungen aus. Die Indexanpassung für Wasser, Kanal und Abfallentsorgung wurde für dieses Jahr ebenfalls ausgesetzt. Außerdem behalten wir uns für ganz schwierige Lebensumstände Einzelfallentscheidungen vor.

Wir sind dabei, ein Konzept zu entwickeln und auszuarbeiten, mit dem wir in der Zeit nach COVID nicht nur die Wörgler Wirtschaft beleben, sondern auch den Wörglerinnen und Wörglern die Möglichkeit eines günstigen regionalen Einkaufs bieten wollen. Schließlich haben wir Erfahrung mit Freigeld, Sonnenscheinen und Wörgl- Gutscheinen.

Bleiben Sie gesund und verlieren Sie nicht den Mut!

Ihre Bürgermeisterin

Hedi Wechner

Veröffentlicht: 01.04.2020