Der 8. Mai 1945 – Neubeginn und Fremdbestimmung

Quelle: Stadtarchiv Wörgl
Mit diesem Tag trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Westen in Kraft und das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch für Tirol den Beginn der Nachkriegszeit.
Zunächst unter US-amerikanischer Besatzung wurde die Kontrolle ab Juli 1945 an die Franzosen übergeben. Es herrschte Mangel an allem. Die Menschen froren und hungerten, viele wussten nicht wo übernachten, quer durchs Land reihte sich eine Barackensiedlung an die andere. Die Betriebe litten unter Energieengpässen.
Im Oktober 1945 druckte die Tiroler Tageszeitung einen Aufruf an die Haushalte: „Koche und heize nie gleichzeitig! Koche sparsam! Heize nur den Wohnraum und nicht über eine Temperatur von 17°C!“
Die wirtschaftliche Lage in dem ausgebluteten Land verbesserte sich nur langsam. Österreich hatte 1947 die niedrigsten Lebensmittelrationen Europas.
Hier ein Auszug aus der „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ der jungen Wörgler Gymnasiastin Anna Wohlfarter aus dem Jahr 2015:
Auch in unserer Stadt herrschte große Not, so hatten die Wörgler Schüler wegen Kohlemangels „Kohleferien“ und gingen im Winter nur alle zwei Wochen in die Schule und auch nur, um ihre Hausaufgaben abzugeben und neue zu übernehmen.
Inge Valentinotti (geb.1929): „Viele Häuser und Wohnungen wurden von Soldaten besetzt und die Bewohner suchten bei Freunden Unterschlupf. Der Ort war mit Flüchtlingen überfüllt.“
Rosa Faè (geb.1923): „Da die Lebensmittel, die man erhielt, nie ausreichten, bettelten die Leute bei den Bauern um Mehl, Eier oder Kartoffeln. Einige tauschten auch ihre Raucherkarten gegen Lebensmittel. Ein Beispiel dafür, wie knapp Lebensmittel waren, zeigt der Umstand, dass Ärzte Menschen, die an Tuberkulose litten, erst dann zusätzlich Milch und Butter verschrieben, wenn Aussicht auf Heilung bestand“.
Walter Avanzini (geb. 1931): „Unser Haus war von Amerikanern besetzt. Mein Bruder und ich lebten ein halbes Jahr lang in einer Holzhütte vor dem Haus und unser gesundheitlicher Zustand war nicht der beste. Wir verstanden uns gut mit den Amerikanern, unter anderem deshalb, weil wir ihnen das Tischtennis spielen beibrachten. Eines Tages kamen sie und überreichten uns das erste Care-Paket und halfen uns dadurch, den Hunger einigermaßen einzudämmen. Sie hatten einfach Mitleid mit zwei kleinen Buben.“
Bei den Care-Paketen handelte es sich um Hilfspakete, die nach dem Krieg von amerikanischen Hilfsorganisationen nach Europa geschickt wurden. Die über 100 Millionen Pakete, die nach Europa kamen, enthielten u.a. Fleisch, Speck, Schmalz, Ei- und Milchpulver, Kaffee und Schokolade.
Helgard Avanzini (geb.1939): „Die ausländischen Soldaten waren freundlich zu den Menschen und taten ihnen nichts an. Es herrschte große Angst davor, dass russische Soldaten aus dem Osten einmarschieren könnten, die für ihre Gräueltaten gefürchtet waren. Die amerikanische Besatzung wurde durch die Französische abgelöst. Auch diese Soldaten quartierten sich in den Häusern der Wörgler ein. Mit Sack und Pack, darunter Generäle samt deren Familien, zogen sie am 9. Juli 1945 ein. “
Unmittelbar nach Kriegsende begannen die Aufräumarbeiten und Instandsetzungen von Wohnungen, Werkstätten, der Strom- und Wasserversorgung und dem Bahnhof. Aus Mangel an Geld und Materialien schritt der Wiederaufbau nur schleppend voran, erst der Marshallplan der USA führte ab 1948 zu großen Fortschritten. So wurde das Bahnhofsgelände im Dezember 1950 fertiggestellt – ein Jahr, bevor Wörgl das Stadtrecht verliehen wurde.
Das Kriegsende bedeutete die Befreiung von der unmenschlichen Nazidiktatur mit ihren millionenfachen Opfern. Der Weg in die Demokratie, zu Frieden und Wohlstand stand offen. Unsere Verpflichtung ist es, gemeinsam darauf zu achten, dass die unzähligen Opfer für den Weg in die Freiheit nicht umsonst waren!
Quelle:
Anna Wohlfarter, Vorwissenschaftl. Arbeit, BRG Wörgl, 2015
Bilder: Stadtarchiv Wörgl
Kontakt: Stadtchronist Toni Scharnagl, chronist@stadt.woergl.at