Die Geschichte der Wörgler Kirchenglocken

(c) Stadtarchiv Wörgl
Wenn wir heute zu feierlichen Anlässen die prächtigen Glocken vom Turm hören können wir uns nur schwer vorstellen, welche Verflechtungen diese immer wieder mit dem Schicksal unserer Stadt hatten, aber auch welche Opferbereitschaft zahlreicher Bürger dieses Werk erst möglich machte.
In Europa wütete der Erste Weltkrieg, dem aus der kleinen Marktgemeinde 90 Menschen zum Opfer fielen.
Der Staat benötigte unheimliche Mengen an Material für die Waffenproduktion und so wurden 1916 die Kirchenvorstände von der Einziehung der Glocken verständigt. In diesen Glocken steckten der ganze Stolz und die Freude der Bevölkerung: sie wurden erst sechs Jahre zuvor mit großem Aufwand angeschafft!
Traurig vernahm man die Nachricht, dass auch die „Große“ ihren letzten Weg antreten sollte. Der junge Regent Kaiser Karl hatte zufällig einen kurzen Aufenthalt am Bahnhof und so begab sich Pfarrer Riedlsperger mit einer Delegation vor Ort, um dem Kaiser ihre Bitte vorzutragen. Eine Stunde nach Abreise trifft ein Telegramm aus Kitzbühel ein: „Die große Glocke in Wörgl hat dort zu verbleiben. Karl.“ Seitdem trug die Glocke aus Dankbarkeit den Namen „Kaiserglocke“.
Ab 1918 herrschte zwar Frieden, aber auch eine unerträgliche Armut. Für ein neues Geläut war kein Geld da und Riedlsperger ging zwei Jahre lang mit dem „Glockenklingelbeutel“, bis 1923 bei Graßmayr in Innsbruck die neuen Glocken abgeholt werden konnten.
Die von Johann Seisl festlich geschmückten Festwagen trafen am Marktplatz ein und Jung und Alt war zu einer riesigen Freudenkundgebung auf den Beinen.
1939 begann der 2. Weltkrieg und wieder wurden die Glocken als Kriegsopfer gefordert: dieses Mal auch die herrliche Kaiserglocke! Pfarrer Riedlsperger ließ den Klang der Glocken – einzeln und zusammen – am 23. April 1942 auf Schallplatte festhalten. Mit großer Trauer nahm die Bevölkerung schon zum zweiten Mal Abschied von ihrem schönen Geläute!
1950 war Wörgl eine der letzten Gemeinden, die noch keine neuen Glocken besaß. Der „Glockenausschuss“ mit Andrä Lenk als Obmann sowie Hans Riedhart und Pfarrer Riedlsperger organisierte Haussammlungen und einen „Großen Wohltätigkeits-Bazar“, um die Glocken „schuldenfrei“ empfangen zu können. Diese wurden sodann bei der Firma Oberascher in Salzburg bestellt.
Am 17. Dezember 1950 begrüßte das damalige Wörgl mit Freude fünf wunderbare Glocken aus Zinn-Kupfer mit einer außergewöhnlichen Tonfolge und einem Gesamtgewicht von 8781 kg. Die feierliche Weihe nahm Erzbischof Dr. Andreas Rohracher vor.
Symbolträchtig das Glockenaufziehen: Eine Menschenkette von der Kirche bis zur Brücke über den Wörgler Bach „zog an einem Strang“ die Glocken in die Höhe.
Symbolträchtig auch die Namensgebungen: So widmete man den Kriegsopfern und -heimkehrern die zweitgrößte Glocke („Kriegerglocke“), obwohl dies in vielen Pfarren der Großen vorbehalten war. Diese wurde in Wörgl jedoch auf den Namen „Friedensglocke“ geweiht und verdeutlicht den damals wohl größten Wunsch der Bevölkerung. So soll uns ihr warmer und tiefer Klang, der weitum hörbar ist, seit nunmehr 75 Jahren daran erinnern, dass ein Leben in Frieden nicht selbstverständlich, sondern ein Gut von unschätzbarem Wert ist.
Quellen:
Bilder: Stadtarchiv
Texte: Josef Zangerl – Wörgl Ein Heimatbuch, Hans Federer – Die Kirche
Kontakt: Kontakt: Stadtchronist Toni Scharnagl, chronist∂stadt.woergl.at


